Die Aufregung war groß und kleingeistig (wie der vorherrschende Mainstream im Kärntner Landtag) zugleich.
Grund des letzten Eklats sind zwei Fotos von SP-Klubobmann Reinhard Rohr, die VP-Landesgeschäftsführer Thomas Goritschnig gemacht und auf dessen Facebook-Profil veröffentlicht haben soll. Ich bin kein Facebook Freund Goritschnigs, deshalb habe ich auch keinen Zugang zu diesen. Sie könnten in etwa so aussehen:
Dem politischen Stil zwischen SPÖ und ÖVP/FPK folgend werden Goritschnigs Bilder wohl weniger nett ausgesehen haben. Kann sie mir wer mailen? email@k2020.at Danke!
Der fotografierte Rohr war erzürnt und bewirkte eine Sitzungsunterbrechung. Zudem wirft er per Presseaussendung der ÖVP Gesetzesbruch vor und fordert eine Entschuldigung.
„Dass die ÖVP im Fahrwasser ihres Koalitionspartners FPK und in einem immer weiter ausufernden Machtrausch die Demokratie, gültige Verordnungen, Recht und Gesetz mit Füßen tritt, ist nichts Anderes als der weinerliche Versuch, vom desaströsen FPKÖVP-Budget abzulenken“, stellt der Klubobmann der SPÖ-Kärnten, Labg. Reinhart Rohr, zur verbotenen Veröffnetlichung von Fotos aus der Sitzung des Kärntner Landtages auf der Facebook-Seite des ÖVP-Parteisekretärs fest.
Gesetzesbruch?
Rohr ist wohl zweifelsohne eine „Person des öffentlichen Interesses“ und kann sich im Sinne des „Schutzes des eigenen Bildes“ nicht darüber beklagen, fotografiert zu werden. Zudem stellt sich die Frage, ob man im Landtag fotografieren darf. Ich meine nein. Geregelt ist dies im §81 der Geschäftsordnung des Kärntner Landtages:
(2) Die Vornahme von Bild- und Tonaufnahmen von Beratungen des Landtages sowie das Fotografieren im Sitzungssaal bedarf der Zustimmung des Präsidenten.
Und diese Zustimmung ist in der Praxis nur akkreditierten Journalisten vorbehalten.
Auch mir wurde dies (auf der Besuchertribüne) im November vergangenen Jahres verboten. Insofern besteht ein Gesetzesbruch, wenngleich der nicht gravierend sein dürfte. Ebenso könnte man meine Fotos vom November 2009 kritisieren:
Und ebenso wie ich ist Goritschnig als Privatperson zu sehen, was einem Gesetzesbruch gleich kommt.
Recht ist Recht – auch wenn ich es für eine Schande halte. Der Landtag gehört uns Bürgern und wir werden wohl noch Bilder schießen dürfen!
Geheimniskrämerei!
Dass Rohr so reagierte zeigt nur, dass er nichts anderes gewohnt ist. Die meisten aller Sitzungen von Politikern sind – wenn überhaupt – einer kleinen Teilöffentlichkeit zugänglich. Man muss schon zu viel Zeit haben, um persönlich bei den Plenarsitzungen des Gemeinderates oder Landtages dabei zu sein (der Audiostream ist mitunter fehleranfällig und etwa bei Zwischenrufen wenig aussagekräftig). Und Rohr ist – wie aber auch die Scheuchs, Tauschitze oder Holubs dieser Welt an diese Geheimniskrämerei gewöhnt.
Durch die meist leeren Besuchertribünen können die Politiker nicht nur meist schalten und walten, wie sie wollen. Offenbar als Zeichen des politischen Aktionismus fordert die ÖVP nun Videostreamings von den Sitzungen des Landtages.
Warum ich meine, dass dies politischer Aktionismus ist? Weil das Wichtigste außen vor bleibt:
- Praktisch alles Wichtige wird in Ausschuss-Sitzungen des Landtages behandelt, die nicht öffentlich sind. Die Plenarsitzungen waren zuletzt nur zum polemischen Vollzugsorgan der Regierung verkommen. Was in den Ausschüssen dem Bürger vorenthalten wird, kann man höchstens erahnen.
- Die Regierungssitzungen sind – genauso wie die Beschlüsse – Geheimsache. Wenn wir viel Geld für die dortigen Beschlüsse aufwenden müssen, wieso dürfen wir die nicht einsehen?
- Protokolle sind oft erst Monate im Nachhinein einsehbar – zu einer Zeit, wo viele gar nicht mehr an die eigentliche Sitzung denken. Zudem lassen sie sich nicht maschinell verarbeiten. Wer wofür stimmte (Stichwort: nicht existentes „Freies Mandat“) ist meist nicht nachvollziehbar.
Echte Transparenz muss her!
ALLE politischen Entscheidungsgremien (Gemeinderäte, Landtag, Regierung mit sämtlichen Ausschüssen und Unterausschüssen) sollten von jedem übers Web nachverfolgbar sein. Live und im Nachhinein als Archiv.
Ich sehe schon die Front der Ablehnung: „Wir wollen ja keine Helmkamera-Politiker sein, die auf Schritt und Tritt von Videokameras verfolgt werden.“ Wetten, dass dieses Argument kommt?
Gewinnen würde dabei vor allem das Niveau der politischen Diskussion, die zuletzt schwer gelitten hat. Von öffentlichen Beschimpfungen (Kurt Scheuch über Reinhard Rohr: „Am Abend haben selbst politschen Gartenzwerge lange Schatten.“) bis hin zu Pauschalverunglimpfungen (LH Gerhard Dörfler in Richtung der SPÖ: „Das Gequake der SPÖ-Frauen geht mir schon auf die Nerven.“) reicht das Spektrum der verbalen Entgleisungen all unserer Volksvertreter.
Schwer wiegt zudem, dass der Kärntner Landtag seiner Funktion als Kontroll- und Gesetzgebungs-Gremium (im Sinne der Gewaltenteilung) in keinster Weise mehr nachkommt. Was hier geboten wird, ist Demokratie zum Abgewöhnen. Kontrolle findet nur soweit statt, als dass sie die Regierungsmehrheit nicht trifft. Und Gesetze werden wo anders (am Koalitionstisch) gemacht und dort aus mit Mehrheit durch den Landtag gepeitscht.
Transparenz sollte den Damen und Herren die politische Kultur zurück bringen. Je mehr Leute zusehen, umso weniger ist pure Polemik ein Mittel zum Zweck (der eigenen Machterhaltung).