
Seit einer gefühlten Ewigkeit gibt es über Klagenfurt das gleiche Wetter: Ein „Betonhoch“ (so nennen Meteorologen hartnäckige Hochdruckgebiete) sorgt dafür, dass im gesamten November kein Niederschlag die Dreckwolke auswaschen und keine Brise Wind das Nebelloch Klagenfurt ausblasen konnte.
Die Folge: Feinstaub-Alarm. Die Diskussion darüber wird noch lange andauern. Noch bis weit in den März hinein wird die Glocke (hoffentlich mit Unterbrechungen) über Klagenfurt für dicke Luft und zu ebener Erd‘ für aufgebrachte Bürger sorgen.
Gestern hab ich mir mal die Mühe gemacht, die Feinstaubwerte vom Umweltbundesamt für eine Klagenfurter Messstelle anzusehen. Die volle Grafik gibt’s auf Flickr, Live-Messdaten auf einer Karte des Umweltbundesamts.

Quelle: Amt der Kärntner Landesregierung/Umweltbundesamt
Update: Das Umweltbundesamt bietet auch eine Übersicht, an wie vielen Tagen es Überschreitungen der erlaubten Grenzwerte gab. Im Folgenden der Stand per 22.11.2011, tagesaktuelle Zahlen auf der Website des Umweltbundesamts.

Quelle: Umweltbundesamt
Gefahr und Maßnahmen
Feinstaub ist gefährlich: Er kann zu chronischen Atemwegserbeschwerden, Lungenkrebs sowie zu einem gesteigerten Risiko von Mittelohrenzündigungen bei Kindern führen. In Zeiten höherer Feinstaubbelastungen sind zudem signifikant mehr Herzinfarkte zu registrieren. Wikipedia hat eine umfassende Auflistung.
Weil es nicht zu leugnende Probleme und Risken gibt, verordnete die EU Obergrenzen: An maximal 35 Tagen im Jahr darf es eine höhere Belastung geben. In Klagenfurt wurde dieser Grenzwert von 50 µg/m³ alleine in den letzten vier Wochen an zwölf Tagen überschritten worden. Doch der Höhepunkt ist noch lange nicht überschritten!
Das Immisionsschutzgesetz-Luft (IG-L) sieht eine Reihe von Maßnahmen vor – von Fahrverboten für Autos und Förderung des öffentlichen Nahverkehrs über ein Verbot des Verbrennens im Freien bis hin zur Sanierung von Häusern. Dass Maßnahmen wie die Errichtung von Umweltzonen etwas bringen, beweist Berlin. Dort ging in manchen Gebieten die Belastung um 80 Prozent zurück.
Das Problem: Solche Maßnahmen sind nicht populär und zudem bremst wieder einmal der Föderalismus. Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) lies heute im Morgenjournal damit aufhorchen, „nicht zuständig“ zu sein. Berlakovich verwies auf die Bundesländer, die mehr Maßnahmen gegen den Feinstaub setzen müssten.
Die Schuldigen
Wer ist also in Kärnten zuständig? Viele!
- LH Gerhard Dörfler (FPK)? Als Landeshauptmann hat er nach dem IG-L Maßnahmen zu treffen, die mittelfristig eine Einhaltung der Grenzwerte ermöglichen.
Als Referent für Verkehr, Kinder und Familien konzentriert sich Dörfler stattdessen „voll auf die Ausweitung der Infrastruktur für Elektromobilität„. Ob E-Bikes, Elektroroller oder E-Autos die Lösung für das Problem darstellen, darf bezweifelt werden.
- Landesrätin Beate Prettner (SPÖ)? Sie ist die erste Wahl, schließlich bekleidet sie das Umwelt- und Energiereferat. Allerdings meinte sie heute im Mittagsjournal, sie müsse „erst mit der Stadt Klagenfurt reden“ und das könne dauern. Immerhin gesteht sie ein: „Fahrverbote ein Thema wären“, relativiert aber schon im Nachsatz: „Da sind natürlich immer eine Fülle von Verordnungen, die hier auch ergehen müssen und hier müssen natürlich auch alle mitwirken.“
- LH-Stv. Uwe Scheuch (FPK) wäre auch mehrmals betroffen, ist er doch u.a. Referent für Naturschutz, Energieförderung oder Alternativenergie. Immerhin verweist er in einer Presseaussendung auf eine seit Mai geltende Förderung für neue Heizungen.
- LH-Stv. Peter Kaiser (SPÖ) wäre als Gesundheitslandesrat berufen, dazu etwas zu sagen oder etwas dagegen zu tun. Inhaltlich findet man von ihm im letzten Monat keine Aussage zu diesem Thema.
- LR Josef Martinz (ÖVP) wäre ebenfalls in mehrfacher Weise von Feinstaubmaßnahmen betroffen – und zwar als Referent für Gewerbe, EU, Landwirtschaft, Wirtschaft und nicht zuletzt Gemeinden. Inhaltliche Aussage: Null. Zumindest lässt sich nichts dazu googeln.
- Landesrat Christian Ragger (FPK) wäre als Referent für Wohnungs- und Siedlungswesen sowie Landeshochbau gefragt. Als Antwort kam lediglich die oben erwähnte Presseaussendung mit Uwe Scheuch zurück.
- Nur Landesrat Harald Dobernig (FPK) scheint auf den ersten Blick kein diesbezüglich betroffenes Referat zu haben.

Das Grundproblem: Schuldige kann man sich als Bürger höchstens aussuchen, verantwortlich ist niemand und Maßnahmen gibt’s keine!
- Autofahrer brauchen keine Angst haben, auf ihr Fahrzeug verzichten zu müssen. Im Gegenteil bekommen sie demnächst – ob gestiegener Spritpreise – wieder Pendlerförderungen.
- Das rußende und heillos veraltete Öl-Fernheizwerk (im November war es in Klagenfurt durchschnittlich fünf Grad kälter als normal) braucht nicht um seine Existenz fürchten.
- Fahrgäste öffentlicher Verkehrsmittel brauchen sich keine Hoffnungen auf günstigere Tickets machen. Das wäre zwar populär, aber teuer und für Kärnten nicht leistbar.
- Bürgermeister oder Bauern, die demnächst einen Acker als Baugrund verkaufen wollen, brauchen nichts von neuer Raumordnung befürchten.
- Besitzer maroder Häuser müssen weiter nicht sanieren.
Nix wird passieren. Gar nix! Weil alles andere ja unpopulär wäre. Bestenfalls redet man sich in den nächsten Monaten auf das Wetter aus.
Konsequenzen gibt es ohnehin keine. Die einzige Maßnahme, die der Bund treffen könnte: Er könnte an die Verantwortung der Länderchefs appellieren. Mehr nicht.
Eine Lösung wäre
Was wir brauchen wären klare Zuständigkeiten anstelle gegenseitiger Beschimpfungsorgien unter Regierungsparteien. Damit wären wir wieder einmal beim Proporz, den viele für die Wurzel allen Übels halten. Es kann nichts sein, dass jeder in der Regierung ist und am Ende niemand die Verantwortung trägt. Es kann nicht sein, dass sehr viele Verhandlungen einen Rattenschwanz teurer Kompromisse nach sich ziehen.
Die wahre Schuldige an der Feinstaubsituation (und vielen anderen Missständen) ist also ausgemacht: die Landesverfassung. Und wieder könnte die Steiermark als Vorbild für Kärnten dienen: Dort wird heute im Landhaus die Verfassung umgeschrieben. Der Proporz ist in der Steiermark Geschichte. Warum? Weil man erkannte, dass diese Regierungsform nicht nur unzeitgemäß sondern teuer ist.
In Kärnten gibt es zwar hin und wieder eine Wortmeldung dazu, doch ändern wird sich nicht. Warum? Weil dann die eine oder andere Partei sich nicht mehr auf die eine oder andere Partei ausreden kann. Der Wähler kann schlichtweg in einem Proporzsystem niemanden für Fehlleistungen abstrafen. Er wird dieses Team auch trotz Wahldebakels für die eine oder andere Partei 2014 nicht los.