Kurt Scheuchs „Paparazzi“-Gate

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut und muss ständig aufs Neue verteidigt werden. Dass diese nicht alle so sehen, ist man in Kärnten seit langem gewohnt.  Auch Jörg Haider ging nach Medienberichten, die ihm nicht passten, wenig zimperlich mit Journalisten um. Er beschimpfte diese während Pressekonferenzen und sperrte sie immer wieder auch länger von Informationen ab.

Am Donnerstag kam es im Zuge der dritten außerordentlichen Landtagssitzung zu einem Eklat zwischen dem neuen Landeshauptmannstellvertreter Kurt Scheuch (FPK) und dem Pressefotografen Gert Eggenberger. Schon Scheuchs Bruder Uwe verwies Eggenberger Anfang August anlässlich seiner Rücktritts-Pressekonferenz des Saales.

Der Privatsender ATV filmte die jüngste Szene mit, weshalb alles dokumentiert ist.

Nun taucht so manche Ungereimtheit auf, denn die Schilderungen Kurt Scheuchs passen so gar nicht zum Videodokument von ATV. Die OTS-Meldung Scheuchs sollte offenbar Eggenberger diskreditieren und etwas anderes legitimieren: Seit kurzem ist es im Kärntner Landtag Pressefotografen nicht mehr gestattet, während der Sitzung Fotos zu schießen. Beschlossen wurde diese Regelung von der blau-schwarzen Landtagsmehrheit, durchgesetzt wurde das Verbot von Landtagspräsident Josef Lobnig (FPK).

Im Folgenden soll die leicht verzerrte Wahrnehmung Scheuchs etwas der Realität näher gebracht werden.

Kurt Scheuchs Privatsphäre

In der Aussendung heißt es, Eggenberger habe

„nicht als APA-Fotograf sondern vielmehr als Paparazzi“

agiert. Ein Paparazzo (Einzahl wohlgemerkt, Eggenberger stellte keine Meute dar) arbeitet meist für den Boulevard und bricht dabei  (laut Wikipedia) regelmäßig die „Privatsphäre durch unrechtmäßiges Eindringen“.

Was Kurt Scheuch vermutlich nicht weiß: Privatsphäre kennt keinen räumlichen Radius. Das Anfertigen (auch schlechter) Fotos in öffentlichen Räumen ist definitiv kein „Eindringen in die Privatsphäre“ eines Politikers. Das nennt man Fotojournalismus. Das öffentliche Interesse an einem hochrangigen Freiheitlichen beim Auszug aus dem Landtag kann definitiv als gegeben gelten.

Gut, im gegebenen Fall entstanden wohl keine großartigen Bilddokumente. Aber auch das gehört zur Aufgabe eines Pressefotografen. Wenn Kurt Scheuch „schöne“ Fotos von sich haben möchte, müsste er eben mit einem Fashion-Fotograf ins Studio gehen.

Kurt Scheuchs Bedrängnis

In der OTS-Aussendung heißt es weiter wörtlich:

„Fakt ist, dass ich den Sitzungssaal des Kärntner Landtages verlassen habe und Gert Eggenberger mir den Weg verstellt hat […]“

Schauen wir uns dazu ein Foto aus dem Video an:

Scheuch geht an Eggenberger vorbei. Von einem Verstellen des Weges kann also keine Rede sein. Im Gegenteil: Scheuch posiert danach noch für rund 20 Sekunden für Eggenberger. Hier war deutlich Unsicherheit bei beiden zu spüren.

Kurt Scheuchs Augenmaß

Und weiter geht’s:

„[…], seine Kamera auf 5cm zu meinem rechten Auge gehalten und auf den Dauerauslöser gedrückt hat.“

In einer ersten Stellungnahme sprach er übrigens von 20, in der Aussendung von fünf und abends in der ZiB2 dann nur noch von „gemessenen“ vier Zentimetern.

Das Foto von Scheuch befindet sich einzig bei heute.at abgebildet. Schauen wir uns die Ausrüstung von Gert Eggenberger näher an. Es ist dies eine Canon EOS-1D MK IV mitsamt einem Canon-Objektiv (EF 16-35mm f/2.8L II USM). Die Exif-Daten stammen vom „Von-unten-Foto“.

Die verwendete Linse hat einen minimalen Fokusbereich von 28 Zentimetern. Das heißt: Erst danach ist ein Bild überhaupt scharf bzw. „im Fokus“. Das Bild Eggenbergers vom ersten Shooting (Video: 00:00:01 bis 00:00:05) ist – hier schwer zu erkennen – erst über der linken Augenbraue im Fokus. Das bedeutet, dass es von der Sensorebene bis zur linken Aubraue einen Abstand von mindestens 28 Zentimeter gegeben haben muss.

Zieht man die Länge von der Sensorebene bis zum Objektivbajonett sowie die Länge des Objektivs ab, gab es höchstwahrscheinlich einen Mindestabstand von acht Zentimeter zwischen Vorderkante des Objektivs und Kurt Scheuch.

Wichtig noch: Eggenberger stand nicht ganz rechts von Scheuch, sondern etwa 15 Grad nach vorne versetzt. Daher setzt auch der Abstandsanzeiger nicht am Ohr, sondern weiter in der Gesichtsmitte an.

Das ist bestimmt nicht die feine Englische und königliche Hohheiten hat Eggenberger wohl nicht genauso abgelichtet, aber von fünf Zentimetern kann keine Rede sein. Zu Scheuchs Verteidigung sei angemerkt: Aus dem Augenwinkel heraus möchte ich auch nicht vier, fünf oder acht Zentimeter unterscheiden müssen.

Dafür wird es jetzt wirklich skurril.

Kurt Scheuchs Lichtempfinden

ORF.at gegenüber meinte Kurt Scheuch, er sei von Eggenberger „dreimal geblitzt“ worden. In der ZiB2 am Donnerstagabend wiederholte er diese „Tatsache“ sogar zweimal. Scheuch wörtlich:

„Ich weiß nicht wie es ihnen gehen würde, wenn man eine Kamera an ihren Kopf hält, vier Zentimeter von ihrem Auge entfernt. Es wird auf den Dauerauslöser gedrückt, man wird dreimal geblitzt und ich musste den Kopf zurückgeben, damit mich die Kamera nicht am Kopf trifft“.

Schauen wir uns dazu wieder zwei weitere Frames aus dem ATV-Video an.

Zweifelsfrei wurde geblitzt. Im Video ist bei 00:00:03 für einen Sekundenbruchteil ein Blitz erkennbar, der die Türe (siehe Pfeil) erhellt. Der Schattenwurf der Person mit dem blauen Sakko verrät, woher der Lichtwurf kam: von der linken Bildseite – etwa aus der Richtung des Pfeils. Derselbe Blitz taucht noch zwei- bis dreimal auf.

Im Klartext: Wäre dieser Blitz von Eggenbergers Kamera gekommen, wären dessen Photonen genauso wendig gewesen wie einst Lee Harvey Oswalds Magische Kugel.

Mehr noch: Der 64-jährige Pressefotograf wäre besser als MacGyver! Er konnte mit etwas blitzen, das gar nicht blitzen kann. Betrachten wir dazu die Kamera näher – und zwar oberhalb des Objektivs:

Anders als Nikon verbaut Canon verbaut keine Blitze in die Gehäuse seiner Highend-Kameras.

Weil man nirgendwo an Eggenbergers Kamera einen Aufsteckblitz sieht und dieser zudem den hohen ISO-Wert von 2500 (diese hohe Lichtempfindlichkeit wählt man, wenn man ohne ohne Blitz fotografieren möchten) wählte, ist Scheuchs Schilderung in diesem Punkt nur eines: unglaubwürdig.

Kurt Scheuchs „Dauerfeuer“

Was der FPK-Politiker vermutlich nicht weiß: Es ist durchaus üblich, dass Pressefotografen wie Amateure mehrere Male hintereinander abdrücken. Aus diesem Grund gibt es die Funktion der „Serienbildaufnahme“. So kann man sicher sein, dass von vielen Schnappschüssen ein guter Treffer dabei ist, bei dem die Augen garantiert offen sind oder andere Bilddetails passen.

Scheuch vermerkt dazu in seiner Aussendung wortwörtlich:

„Ich dann einfach stehen geblieben und wurde in weiterer Folge von Eggenberger aus allen möglichen Positionen mit mehr als 100 Fotos regelrecht abgeschossen.“

Dass Scheuch die Serienbildfunktion nicht kennt, mag sein. Vielleicht fotografiert er selbst nicht oder hat nur sehr selten Fotografen um sich. Ich weiß das schlichtweg nicht.

Erstens: Überprüfung der technischen Machbarkeit. Zählt man die Sekunden zusammen, in denen Eggenberger die Kamera für den Abdruck bereithielt, ist schon das unmöglich. Dazu ist selbst Canons neueste Profikamera zu langsam.

Zweitens: Technischer Versuch der Klärung, wie viele Fotos geschossen wurde. Und siehe da … es waren exakt 40. Herausfinden lässt sich dies, indem man sich in einem Audioprogramm wie Adobe Audition die Spektralfrequenzanzeige der Video-Tonspur anzeigen lässt.

Am rechten Rand deutlich sichtbar: Die vier Doppelauslösungen, als Eggenberger vor Scheuch stand. Scheuch lag also um mehr als der Hälfte daneben oder übertrieb bewusst maßlos.

Freiheitliches Rechtschreiben

Eines gleich vorweg: Ich entschuldige mich für alle etwaig auftauchenden Rechtschreibfehler oder fehlender/falscher Satzzeichen in diesem Artikel. Anders als die Freiheitlichen beschäftige ich mich allerdings nicht damit, anderen (etwa Migranten) mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache vorzuwerfen.

Ein Blick auf die OTS-Aussendung verrät einen möglichen Grund, warum Scheuch eines der Ressorts seines Bruders (Bildung) dem Landeshauptmann weitergab. Allzu viel scheint der Verfasser der FPK-OTS-Meldung von der deutschen Sprache nämlich nicht zu verstehen. Eine kleine Nachschulung oder zumindest der Einsatz eines vernünftigen Textverarbeitungsprogramms ist bei all der Parteienförderung wohl nicht zu viel verlangt. Oder?

Es gibt ganze 13 Rechtschreib-, Zeichensetzungs-, Grammatik- und Zeitenfehler …

Zur kleinen Ehrenrettung des Autors: In der dritten Zeile gibt es eine Korrektur des Wortes VON in ein VOM. Das ist natürlich falsch, VON wäre richtig gewesen. Dafür gibt’s unter der Bildkante noch zwei weitere Fehler.

Foto für die Grafik: Canon sowie Peter Dahlgren

Gefährliche Landtagssitzung(en) für die FPK

Wenn heute um 17:00 Uhr die zweite außerordentliche Sitzung des Kärntner Landtages über einen Neuwahlantrag berät, könnte viel mehr als das passieren. Der von den Freiheitlichen (FPK) angekündigte Auszug könnte zu weit mehr führen als lediglich einem gescheiterten Antrag, der ob des fehlenden Quorums nicht durchgeht.

Verantwortlich dafür sind Artikel 27 der Landesverfassung bzw. § 19 der Landtagsgeschäftsordnung.

  • Beschlüsse des Landtages bedürfen lediglich der Anwesenheit von mindestens der Hälfte ihrer Mitglieder. K-LVG, Art. 27
  • Dringlichkeitsanträge können noch während einer Sitzung eingebracht werden, auch ohne vorher einen Ausschuss passiert zu haben. Dafür werden Stimmen von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder benötigt. K-LTGO § 19

Im Klartext: Zwar können nach dem Auszug der FPK-Abgeordneten weder der Landtag aufgelöst noch Gesetze beschlossen bzw. geändert werden. Auch könnte es keine Misstrauensabstimmungen geben, weil dafür ebenfalls die Anwesenheit von zwei Dritteln der Mandatare nötig ist (K-LTGO §68a (2) a).

Aber sonst gibt es enorm viel Spielraum für die Abgeordneten, die nun beweisen können, wie ernst sie es mit der Kontrolle der Regierung meinen.

Was wäre möglich?

Eine ganze Menge und die schwänzenden Abgeordneten könnten lediglich zu Hause oder in den Klubräumlichkeiten den Livestream verfolgen.

  • Einsetzung von Untersuchungsausschüssen (K-LTGO §32), die allerdings bei einer Aufösung des Landetags ebenfalls Geschichte wären. Die Abgeordneten könnten sich für jede Menge an Materien interessieren: Connect-Affäre, mögliche Kickback-Zahlungen für Landesaufträge, Stadion, Bauprojekte, FPK/BZÖ-Broschüren, FPK/BZÖ-Inserate, Kosten für Studien in der Causa Birnbacher etc.
  • Verlangen von Rechnungshofprüfungen (K-LRHG § 13 (2) a): Interessant wäre es etwa, nicht nur die BZÖ/FPK-Broschüre zu prüfen, sondern auch gleich alle Inseratenschaltungen im letzten Landtagswahlkampf, Vergabepraxis von Landesaufträgen etc.
  • Der Landtag kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschließen, zu kommenden Sitzungen Auskunftspersonen beizuziehen. Die Einladung der Auskunftspersonen hat durch den Präsidenten zu erfolgen. vgl. K-LTGO § 43 (7). So könnten etwa Personen geladen werden, die zuvor in diversen U-Ausschüssen abgelehnt wurden. Das müsste aber zu Punkten erfolgen, die später auf der jeweiligen Tagesordnung auftauchen.
  • Fristsetzungsanträge an Ausschüsse, damit ewig verschleppte Vorhaben endlich in den Landtag kommen können. (vgl. K-LTGO § 56).
    Ein Beispiel dafür wäre eine Novellierung des Rechnungshofgesetzes (K-LRHG), damit dessen Berichte endlich öffentlich sein können. Eine entsprechende Novelle soll seit langem im Ausschuss liegen und verschleppt werden. Den Antrag brachte übrigens die ÖVP seinerzeit am 18. Juni 2009 in den Landtag ein.

Und das ist noch nicht alles, vermutlich ließe sich noch viel mehr machen, wenn man die einschlägigen Gesetze genau kennt. Auch die Wahl von Kurt Scheuch zum LH-Stv. bzw. die Nachfolge von Achill Rumpold kann nur über den Landtag gehen. Wie lange Gerhard Dörflers Regierung mit zwei Mitgliedern weniger handlungsfähig ist, sei dahingestellt.

Viele solcher Sitzungen würden die Freiheitlichen wohl nicht durchgehen lassen.

Wenn man die Äußerungen von FPK, SPÖ, ÖVP und Grünen in den letzten Tagen ernst nehmen darf, sind sie alle um Aufklärung bemüht. Hier hätten sie nun die Möglichkeit, dies all jenen zu beweisen, die gestern vor der Landesregierung standen.