Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!
Gerne greife ich Ihren Wunsch auf. Im Pressefoyer vom 23.2.2010 machten Sie allen Journalisten das Angebot, Sie würden für 100 Tage Ihren Beruf an den Nagel hängen und mit einem von uns tauschen. Im Interesse des Landes Kärntens sowie all seiner Bürgerinnen und Bürger melde ich mich hiermit.
Weil die Worte eines Landeshauptmannes Gewicht haben und Sie bestimmt nicht irgendwelchen Blödsinn von sich geben, gehe ich davon aus, dass Ihr Angebot ernst gemeint war. Aus diesem Grunde habe ich mir bereits einige Gedanken über meine Amtsführung in diesen 100 Tagen gemacht.
Sie erreichen mich jederzeit telefonisch oder per E-Mail. Weil ich gegenüber der Landesregierung wohne und hier auch mein Büro habe, könnten Sie auch jederzeit persönlich vorbei schauen. Wir können dann auch gleich Ihre neue Aufgabe – das Verfassen von Technik-Berichten für die Kleine Zeitung, die Tiroler Tageszeitung, den Kärntner Monat und einige andere Medien – durchsprechen. Das alles wird ein Klax für Sie und nach 100 Tagen kommen Sie entspannt in Ihr Büro zurück.
Ich bin mir sicher, dass ich keine 3.600 Termine im Jahr absolvieren werde. Warum? Weil meine Zeit einfach zu knapp und kostbar ist, um sie mit Ihren Parteifreunden, bei Partei-Stammtischen, Gasthaus-Eröffnungen oder Kirchtagen zu verbringen.
Grüße Ihr Georg Holzer
bald unabhängiger und unkorrumpierbarer Landeshauptmann von Kärnten
PS: Sie werden SEIN Kärnten nach meiner Amtszeit nicht mehr wiedererkennen!
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Georg Holzer
Paulitschgasse 17, A-9020 Klagenfurt, +43-676-533 29 05, email@georgholzer.at, http://www.georgholzer.at
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Ich habe dieses Mail übrigens nicht nur an Gerhard Dörfler, sondern auch an Larissa Herzog-Sternath, seine Pressesprecherin geschickt. Ich will ja eine Antwort und ich weiß nicht, wie oft der seine E-Mails anschaut.
Update:
Eben habe ich gut 40 Minuten mit Gerhard Dörfler telefoniert. Der Landeshauptmann hat tatsächlich angerufen.
Das Gespräch begann mit der Frage, welche Erfahrungen ich denn mitbringen würde. Dörfler: „Haben Sie schon eine Bankfiliale geleitet oder waren Sie ein Jahr lang Chef einer Brauerei?“
Nachdem geklärt war, dass ich für den Job eines Landeshauptmannes „nicht qualifiziert“ sei, durfte ich meinen Unmut über die Landesregierung loswerden. Er sah sogar ein, dass er einmal „in Wahlkampflaune“ – bei dem bekannten Duttl-Foto – Kärnten blamiert hätte: „Dieses Foto hätte tatsächlich nicht sein müssen.“ Mehr wollte er nicht einsehen.
In den folgenden 30 Minuten ging es darum, wie rechtmäßig doch die akutelle Ortstafel-Situation (leider fehlten mir hier die Kenntnis der Sachlage und somit auch die Argumente) sei und dass die Parteienfinanzierung der FPÖ kurz vor dem Wechsel vom organgen ins blaue Lager in Ordnung gewesen wäre. Ebenfalls völlig in Ordnung bezeichnete er die 50 Euro Trinkgeld (aus Ermessensausgaben) für einen armen Staatsdiener währen der Hypo-Verhandlungen.
Keine Antwort bekam ich auf meinen Vorwurf, dass Gesetze (etwa Auskunftspflicht) in Kärnten einfach nicht eingehalten würden oder dass das Land extrem intransparent sei. Dörfler: „Spanien und Griechenland sind da nicht besser als wir“. Ich meine, die sind in diesem Bereich besser – aber bitte.
Ausgewichen ist Dörfler auch, als es darum ging wie schädlich das öffentliche Verhalten (Scheuch’s Grinsen im Fernsehen) denn gewesen wäre. Es kam bloß zurück, dass niemand in der Politik wirklich Schuld habe. „Erst wurde uns vorgeworfen, wir hätten zu billig verkauft. Jetzt soll es zu teuer gewesen sein.“
Dafür, dass sich viele Kärntner außerhalb der Landesgrenzen unwohl fühlen und sich für Kärnten genieren, fehle ihm, Dörfler, das Verständnis. Selbst Deutsche Infineon-Manager hätten von Kärnten und seiner Politik eine hohe Meinung.
Fazit: Er will nicht tauschen und wir sind nach wie vor in keinem Punkt einer Meinung. Aber immerhin hat er sich die Zeit genommen …