Hamburg: Mit Druck zum Transparenzgesetz

Update: In Österreich könnte es auch bald eine Initiative dafür geben! Wer am Ball bleiben will: Auf transparenzgesetz.at kann man sich schon vorab registrieren.

(c) Sven Schwarze, Hamburg Tourismus

Heute, Freitag, 28. September, ist der International Right to Know Day. An diesem Tag soll erinnert werden, dass wir Bürger ein Recht auf Information haben.

Politiker sind nicht zum Selbstzweck in ihrem Amt, sie sollen für uns da sein. Tagtäglich werden Verträge in unserem Namen geschlossen und Ausgaben in unserem Namen getätigt. Das ist gut so, aber gerade weil wir Bürger im Zentrum der Aktivitäten der Politik sein sollten, dürfen wir auch wissen, wer aus welchen Gründen unser Steuergeld bekommt und wofür es ausgegeben wird.

Transparenz sorgt für Vertrauen
und an Vertrauen in die Kärntner Politik mangelt es gewaltig!

Der heutige Tag soll ein Weckruf für alle Bürger sein, Informationen einzumahnen – auch wenn man dazu unbequem sein muss. Dieser Tag sollte gerade uns Kärntnerinnen und Kärntner daran erinnern, dass wir uns für Transparenz einsetzen müssen. Von sich aus werden uns FPK, SPÖ, ÖVP oder Grüne nicht Einblick geben.

Vorbild für Kärnten?

Als perfektes Beispiel, wie man sich für mehr Transparenz einsetzen kann, steht für mich das Hamburger Transparenzgesetz. Darauf aufmerksam wurde ich über den Onlinetalk von DRadio Wissen vom 2. September. Hier eine Wortmeldung daraus von Anke Domscheit-Berg:

Die Herangehensweise der Hamburger faszinierte mich. Anstatt auf die Abgeordneten zu hoffen, organisierte man sich mit einem Wiki, arbeitete man selbst ein Gesetz aus, baute öffentlichen wie medialen Druck auf und brachte es schlussendlich im Juni durch.

Weil dies durchaus ein Vorbild für Kärnten sein könnte, führte ich folgendes Interview mit Daniel Lentfer, dem Geschäftsführer des Landesverbandes Hamburg von Mehr Demokratie e.V. Er war an dem Vorhaben beteiligt, leitete die Kampagne und hat das Gesetz maßgeblich mitgeschrieben.

Daniel Lentfer von Mehr Demokratie e.V. Wie kam die Idee für dieses Gesetz auf? Gab es in Hamburg ein Problem mit Intransparenz in der Politik?
DANIEL LENTFER: Hamburg baut mit der Elbphilharmonie einen neuen Leuchtturm im Hafen. Die Kosten des Projekts, dass ursprünglich kostenneutral sein sollte, sind inzwischen auf 500 Millionen Euro explodiert und die für 2011 geplante Eröffnung ist noch nicht absehbar. Da haben wir uns gefragt: Was steht eigentlich in den Verträgen? Es gibt aber auch viele kleine Beispiele, z.B wenn Bürgerinitiativen nur schwer an Baugenehmigungen gekommen sind.

Was sind die Kernpunkte des Gesetzes?
DANIEL LENTFER: Die zentralen Punkte sind die Einführung von Veröffentlichungspflichten (für Verträge und OpenData, Anm.) in offenen Formaten zur freien Weiterverwendung für die Verwaltung und ein Informationsregisters wo alle Veröffentlichungen kostenlos und anonym zugänglich gemacht werden.

Es half unter anderem auch ein Verfassungsrichter bei der Erstellung mit und Rechtsanwälte gaben Feedback. War es schwer, juristischen Support zu finden?
DANIEL LENTFER: Das Gesetz wurde am Anfang bewusst ohne Juristen geschrieben, aber wir hatten großes Glück, Dr. Jürgen Kühling gewinnen zu können, denn dieser ist nicht nur fachlich sehr gut, sondern hat sich auch auf den Prozess eingelassen, dass Entscheidungen öffentlich nachvollziehbar und im Konsens getroffen werden.

Was gab den Ausschlag dafür, dass sich Politiker der Materie dann doch angenommen haben? War das mediale Echo so groß?
DANIEL LENTFER: Das Mediale Echo war bis zur Verabschiedung des Gesetzes sehr verhalten. Für den Erfolg war neben der Tatsache, dass wir inhaltlich überzeugen konnten, vor allem entscheidend, dass wir mit unserem Plan, einem Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl, ein großes Druckmittel in der Hand hatten.

Wie groß war die Rolle von sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook? War das wirklich spürbar für einen Hamburger „Normalbürger“?
DANIEL LENTFER: Ich glaube, Campaigning ohne soziale Netzwerke funktioniert heute nicht mehr. Aber gesammelt haben wir unsere 15.000 Unterschriften für die Volksinitiative auf der Straße. Das ist für mich gelebte Demokratie uns sehr egalitär auch wenn mit dem Internet inzwischen sehr viele erreicht werden können.

Konntet ihr das Thema in die breite Masse bringen oder wussten lediglich wenige Politik-Interessierte darüber Bescheid?
DANIEL LENTFER: Um diese 15.000 Unterschriften zu sammeln, mussten wir etwa 30.000 Gespräche führen. Das sind vermutlich mehr Menschen als vorher überhaupt das Wort ,Informationsfreiheit‘ in Hamburg kannten. Aus dieser Perspektive ist es etwas schade, dass das Volksbegehren durch die Übernahme des Gesetzes nicht stattfindet. Denn hier hätten wir noch viel mehr Gespräche auf der Straße führen können.

Wie hoch wäre die Hürde für eine Volksbefragung gewesen und wäre diese Hürde zu schaffen genommen worden?
DANIEL LENTFER: Die erste Hürde, die Volksinitiative, sind in Hamburg 10.000 Unterschriften in sechs Monaten. Wir haben 15.000 in sechs Wochen gesammelt. Für die zweite Hürde, das Volksbegehren, hätten wir 62.000 Unterschriften in drei Wochen gebraucht. Das wäre eine große, aber machbare, Herausforderung gewesen. Beim Volksentscheid hätte die Mehrheit entschieden.

Mussten größere Kompromisse bei der definitiven Beschlussfassung eingegangen werden oder blieb der ausgearbeitete Gesetzestext im Großen und Ganzen erhalten?
DANIEL LENTFER: In den Verhandlungen waren alle Seiten für Argumente offen und wir haben viele gute Anregungen aufgenommen. Allerdings haben wir bei der Veröffentlichungspflicht von Verträgen davon abrücken müssen, dass alle Verträge über 100.000 Euro veröffentlicht werden müssen. Dies betrifft jetzt nur noch die Daseinsvorsorge. Auch bei der Pflicht, Daten zu veröffentlichen mussten wir kleine Abstriche machen.

Wie argumentierte die Politik anfangs gegen das Gesetz?
DANIEL LENTFER: Das kann man nicht pauschalisieren, aber es gab zwei große Strömungen. Einige Parteien waren positiv und haben sich im Bündnis und beim Sammeln der Unterschriften engagiert. Die anderen waren entweder abwartend oder haben juristische Details als Vorbehalte gebracht. Niemand hat sich offen gegen mehr Transparenz ausgesprochen.

Gibt es in Deutschland oder anderen Ländern bereits Nachahmer eurer Initiative?
DANIEL LENTFER: Es gibt ähnliche Überlegungen in vielen Bundesländern. In Bayern ist vor kurzem ein Projekt gestartet, das ähnlich wie wir ein Gesetz im Wiki schreiben will. Auch aus Berlin, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen weiß ich von ähnlichen Initiativen. Als ich im Sommer in Linz auf der OpenGovernmentData-Konferenz war gab es viele Interessierte, die ich ermutigen möchte, aktiv zu werden.

Hättet ihr ein bis zwei Tipps für Nachahmer?
DANIEL LENTFER: Erst Gleichgesinnte suchen und gemeinsam eine Idee für einen Kampagnenablauf entwickeln. Dann gemeinsam ein Gesetz schreiben. Wichtig ist dabei, dass der Prozess immer offen ist und stets das gemeinsame Ziel wichtiger ist als einzelne. Guckt, was es schon gibt und schreibt ab. Das haben wir an vielen Stellen auch so gemacht. Abschließend sei gesagt: Es zählt, was gemacht und nicht was gesagt wird!

Fotos: Sven Schwarze, Hamburg Tourismus bzw. Mehr Demokratie e.v. Landesverband Hamburg