Britischer Innovations-Treibstoff

„Unlocking innovation“ steht groß auf der OpenData-Website des Vereinigten Königreichs (UK): data.gov.uk. Stellt sich die Frage: Was werden dort für Daten angeboten?

Rund 2800 Datensätze stehen zur Verfügung. Die Daten reichen je nach Themengebiet in die Vergangenheit, werden live durch Sensoren generiert oder reichen in die Zukunft, indem etwa Bauprojekte behandelt werden.

Die Daten werden – je nach Praktikabilität – teils als Download angeboten, oder sind mit einer Programmierschnittstelle angeboten. Kostenlos und ohne Einschränkungen.

Was noch nicht angeboten wird, kann man nachfragen. Die Liste der Requests wächst auch fast stündlich.

Wie bei Mashups üblich, werden die meisten Dienste auf Landkarten basieren auf denen weitere Informationen eingetragen sind. Aber es sind auch ganz andere Möglichkeiten offen: Von neuen Arten der Visualisierung bis hin zu Kunst. Ja, wieso können aus Daten nicht auch Kunstwerke entstehen?

Besonders spannend ist es auch, wenn mehrere Datenquellen verbunden werden. Wie hängt Kriminalität mit Einkommen zusammen oder welche Korrelationen (wenn überhaupt) gibt es zwischen Treibstoffpreisen und der Häufigkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel?

Was gibt es denn für Daten?

Exemplarisch seien hier für jede Kategorie ein paar Beispiele heraus gepickt. Sie sollen zeigen, welche breite Menge es an öffentlichen Daten in Großbritannien seit letzter Woche gibt:

  • 47 Unfalldatenbanken könnten zur Vermeidung künftiger Unfälle herangezogen werden. Wo passieren die meisten Auto-Crashes? Welche Ursachen führten am öftesten zum Tod oder wo sind die Gefahren im Haushalt am größten?
  • 9 Datenbanken für Assoziales Verhalten beschäftigen sich auch mit rassistischen Übergriffen. Wo müsste man in Streetworker investieren? Wo sollte mehr Toleranz im Unterricht vermittelt werden?
  • 14 Datensätze drehen sich ums Thema Asyl, 9 Datensätze drehen sich um die Einwanderung: Hier könnte es aktuelle und historische Vergleiche zu Migrationsströmen geben. Woher kamen die Flüchtlinge im Laufe der Zeit?
  • 79 Mal geht es ums Geschäft: Von allen möglichen Kennzahlen bis demografischen Eigenschaften von Gründern.
  • 8 Datenbanken gibt es alleine zu Einbruchsdiebstählen: Warum sind diese Daten bei uns nicht öffentlich? Wo wird oft eingebrochen und wie hoch ist die Aufklärungsquote in welchen Teilen des Landes? Wird irgendwo besser aufgeklärt als anderswo?
  • 198 Steuerdatenbanken geben sicher umfassende Einblicke.
  • 450 Datensätze gibt es zu sozialen Diensten.
  • 7 Mal geht es ums Thema Recycling auf der Insel, 14 Mal um Müll.
  • 21 Mal geht es ums Thema Verkehr, 54 Mal um den Tansport, 155 Mal um Straßen.
  • 358 Datensätze gibt es zu allen Aspekten der Demografie und der Bevölkerung.
  • 82 Mal dreht sich alles ums Einkommen der Briten.
  • Kinder sind 305 Mal ein Thema, Eheschließungen vier Mal.
  • Mit Drogen beschäftigen sich 40 Datensätze, 73 mit dem Tod.
  • 47 Mal ist Energie ein Thema, 25 Mal geht es um Emissionen.
  • 11 Datensätzen beschäftigen sich mit Obdachlosen, 111 mit Häusern.
  • und so weiter und so fort. Eine Komplett-Übersicht nach Themen gibt es bei data.gov.uk/data/tag.

Was man damit alles machen kann, wird nur durch die Kreativität von Entwicklern eingeschränkt.

Warum OpenGovernment?

Nachdem vorher bereits über die Öffnung der britischen Regierungsdaten vergangene Woche die Rede war, möchte ich nun eine Fragen beleuchten: Warum macht man das überhaupt?

Die zentrale Frage Gordon Browns an Tim Berners-Lee war: „How can the UK make best use of the web?“

Die veröffentlichung der Regierungsdaten hat so unendlich viele Vorteile. Hier nur ein paar davon:

Bessere Analyse:
Die Beamten ihrer Majestät sind – wie Beamte in aller Welt – sehr gut im Sammeln von Daten. Die Analyse derselben erfordert aber ungleich mehr Kreativität. Erst durch grafische Auswertungen aller Art werden Zusammenhänge sichtbar.

Zusammenhänge die eine Änderung der Politik oder Entscheidungen nötig machen. Aber: Um auf geänderte Bedingungen reagieren kann, muss man diese überhaupt erst erkennen.

Was liegt da näher, als sich auf viele kreative Köpfe zu verlassen anstatt auf wenige Beamte? Und oft ergeben sich richtige Schlussfolgerungen erst aus der Kombination unterschiedlicher Datensätze.

Bessere Polit-Entscheidung:
Es ist eine alte Binsen-Weisheit: Je besser die Daten und je verfügbarer sie sind, umso bessere Entscheidungen werden getroffen. Bei der schweren Greifbarkeit von Daten und der langen Zeit der Suche nach ihnen (hier ist kaum etwas maschinell auswertbar) darf es einen nicht wundern, wenn die Politik schlechte Entscheidungen trifft.

Nur ein Beispiel: Es ist durchaus möglich (wenngleich wenig wahrscheinlich), dass Stadt Klagenfurt und Land Kärnten tatsächlich nicht wussten, wie hoch die Folgekosten des Fußballstadions sein sollten. Durch Publikation aller Daten wäre ein weit besserer Entscheidungsprozess möglich gewesen, der dem Steuerzahler auch viel Geld erspart hätte.

Bessere Privat-Entscheidungen:
Auch jeder einzelne muss ständig Entscheidungen treffen.

  • Wo soll ich mein Haus bauen?
  • Wie steht es um die Luftgüte an diesem oder jenen Ort?
  • Ist es klug, meine Kinder in diese oder jene Schule zu schicken?
  • Wo soll ich mein Geschäft eröffnen? Wo sind meine potenziellen Kunden?
  • Passieren in meiner Nähe viele Einbrüche? Soll ich mir eine Alarmanlage zulegen?

Diese und sehr sehr viele andere Fragen wären mit einer breiten Verfügbarkeit öffentlicher Daten einfacher und vor allem besser zu treffen.

Demokratische Kontrolle:
Natürlich gibt es in allen entwickelten Demokratien – dazu zähle ich Kärnten ausdrücklich nicht – eine parlamentarische Kontrolle. Im Kräftespiel zwischen Regierung und Opposition sowie durch die Gewaltenteilung wird sicher gestellt, dass eine Regierung gut funktioniert.

Allerdings braucht es auch Kontrolle von außen, also eine außerparlamentarische Opposition. Medien brauchen Rohmaterial für die Recherche. Und es muss das Interesse einer entwickelten Demokratie sein, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger am Meinungsbildungsprozess beteiligen.

Beides erfordert öffentliche Daten.

Ein exzellentes Beispiel hierfür ist die britische Website: wheredoesmymoneygo.org.

Derzeit existiert nur ein Prototyp der Website, die analysieren will, was mit dem Steuergeld der Briten passiert. Mit den neuen Daten wird ihr das hoffentlich auch gelingen.

Wirtschaftliche Gründe:

Datensind der Rohstoff für das Informationszeitalter. Je mehr und je bessere Daten als Grundlage für Informationsdienste zur Verfügung stehen, umso besser.

Großbritannien hat die Weichen für eine Entwicklung gestellt, die das Web in den nächsten fünf bis zehn Jahren beflügeln wird. Wie macht man aus puren Daten großartige Dienste für die eine Allgemeinheit auch bereit ist zu zahlen. Die Bereitstellung der Daten selbst ist kostenlos, explizit ist aber die Errichtung von Mehrwertdiensten gestattet.

Bis es in 15 oder 20 Jahren einmal bei uns soweit sein wird, haben die Briten bereits eine Industrie aufgebaut, die ihr Know-how zu uns exportiert und hier für ihre Dienste mit unseren Daten Geld verlangen wird.

Selbst Schuld, möchte man meinen, oder?

Welche weiteren Gründe fallen euch noch ein?
Warum müsste jede Regierung eher gestern als heute ihre Datensafes öffnen?

Cool Britannia öffnet seine Daten

OpenGovernment wird von vielen auf ein Ding reduziert: Geld und die Kontrolle des Steuerzahlers über die Ausgaben der Politik. Klar, das ist ein wichtiges Thema, darf aber nicht darauf reduziert werden.

Open Government ist vielmehr das Gegenteil vom Amtsgeheimnis. OpenGovernment fordert schlichtweg umfassende Offenheit. ALLE Daten, die Bund, Länder und Gemeinden sammeln, sollen grundsätzlich offen und frei zugänglich sein. Alle Daten bis auf solche, die personenbezogen sind.

In Großbritannien tat sich in der vergangenen Woche Großartiges: Die Regierung öffnete über 2800 Datensätze und publizierte die Online auf data.gov.uk. Es ist dies die weltweit größte Sammlung an „Government Data“, die der Öffentlichkeit zugänglich ist. Frei und ohne Hindernisse, selbst für einen Österreicher.

Da stellt sich die Frage: Warum ist man auf der Insel so viel weiter als in der Alpenrepublik?

Informationsfreiheit vs. Amtsgeheimnis

Die ORF-Futurezone brachte es mit auf den Punkt:

In Großbritannien muss die Regierung begründen, wenn sie die Informationen nicht veröffentlichen will. Das ist das Gegenteil der Amtsverschwiegenheit, die in Österreich sogar trotz diverser Auskunftspflichtsgesetze Verfassungsrang hat. Österreich ist daher heute das einzige Land in der Europäischen Union, das noch nicht in Richtung „Open Government“ umgedacht hat. Auch in Deutschland gehörte übrigens die Amtsverschwiegenheit ebenfalls lange Zeit zum tradierten Umgang mit den Bürgern – bis vor vier Jahren, als das Bundesinformationsfreiheitsgesetz eingeführt wurde.

Ich kenne einige Politiker und bin mir sicher, dass die davor Angst haben. Zudem fehlt den meisten von ihnen das Verständnis (und auch Itellekt), welche Tragweite und welche Auswirkungen eine Öffnung der Daten haben könnte.

Personen mit Weitblick

Meine Lieblingszeitung in Europa ist der Guardian. Seit 2006 kämpft die britische Qualitätszeitung für die Öffnung der Daten und hat seither dieses Thema nie fallen gelassen. Ich würde mir wünschen, wenn sich auch die Kleine Zeitung auf den Zug drauf setzen würde.

Im vergangenen Frühjahr rund um den 20. Geburtstags des WorldWideWebs war dessen Erfinder, Sir Tim Berners-Lee bei TED zu Gast und sprach über OpenData:

Zum Durchbruch verhalf dem Thema aber ein simples Abendessen von Regierungschef Gordon Brown und Berners-Lee. Letzterer gilt – auch in seiner Funktion als Chef des WordWideWeb-Konsoriums (W3C) als Verfechter einer Öffnung von Daten. Der Guardian notiert dazu:

Brown, seeking a technological initiative and seeing just the sort of person who might know what it should be, said to Berners-Lee: „What’s the most important technology right now? How should the UK make the best use of the internet?“

To which the invigorated Berners-Lee replied: „Just put all the government’s data on it.“

To his surprise, Brown simply said „OK, let’s do it.“

Berners-Lee now says: „I was so much more used to hearing ’no‘ from government that it was a big shock.“

Und so ging es nur noch ums Wann, nicht mehr ums Ob …

Politik lebt von Polemik

Die politische Kultur Österreichs – und nicht nur Kärntens – ist an einem erschreckenden Tiefpunkt. Getrieben von einem immer unerträglich werdendenen dritten Lager verlassen sowohl SPÖ wie ÖVP zusehends den Boden christlichsozialer bzw. sozialdemokratischer Ideologien. Was zählt, ist die schnelle Polemik und es nach Möglichkeit möglichst allen möglichst schnell recht zu machen. Robert Misik vom Standard fasst das in seinem jüngsten Video sehr gut zusammen.

Neben der Menschlichkeit bleiben dabei Argumente in der österreichischen Innenpolitik gänzlich auf der Strecke. Polemik und sachliche Diskussion passen nicht zusammen. Wenn allerdings alle Daten für jeden ständig und überall greifbar sind, müssen Politiker (zumindest tehoretisch) damit rechnen, dass der andere informiert sein könnte.

Eine schnelle Hetze gegen Ausländer ist dann ebenso wenig drinnen wie ein knappes Schein-Argument für oder gegen Ortstafeln oder die Lüge nach den Folgekosten eines Großprojekts.

Fazit

Aufzuhalten ist der Trend ohnehin nicht und so werden irgendwann auch die Regierungen Kärntens und Österreichs einmal „offen“. Unsere Angestellten haben die Möglichkeit: Je schneller sie uns unsere Daten geben, umso rascher sind sie den Ruf der Vertuscher und Verheimlicher los.

Irgendwann wird der Druck auf die Politik zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses so groß sein, dass sie ohnehin nicht mehr können.

Danke Großbritannien! Danke Guardian! Danke Sir Tim Berlners-Lee und Danke Gordon Brown!

Cool Britannia – Rule Britannia!

Mehr Interesse an Politik!

Ich bekam heute eine Empfehlung für ein YouTube-Video, das ich unbedingt auch hier zeigen will. Es zeigt Interviews im Rahmen einer so genannten Tea Party Protests 2009. Auch wenn Wikipedia von einer Reihe von „grassroots protests“ schreibt, wird beim Video schnell offensichtlich, dass die Veranstaltungen von Republikanern gesteuert wurden.

Die einzelnen Teilnehmer wussten oft gar nicht warum, weshalb und gegen was eigentlich sie denn demonstrierten. Zudem ist erschreckend, wie viele offensichtliche Unwahrheiten dabei skandiert werden. Das Video zeigt eindrucksvoll, wie einfach Leute manipuliert werden können. Es zeigt, dass bald jemand ein Palakat hochhalten kann – um es aber zu verstehen, braucht es wohl mehr als Füllmasse zwischen rechtem und linkem Ohr.

Was sagt uns dieses Video? Politische Bildung und ein Grundinteresse für Politik sind unendlich wichtig für die Zukunft dieses Landes. Speziell in Kärnten. Erst, wenn junge Kärntnerinnen und Kärntner den Wert von Demokratie schätzen lernen, wird diese dauerhaft überleben können.

Mit OpenGov wäre das unmöglich

Und noch etwas zeigt das: Mit OpenGovernment wäre dies nicht so einfach möglich. Regieren Fakten die politische Diskussion, hat Polemik keine Chance.

Warum? In einer Welt wo alle relevanten Daten und Fakten in Echtzeit erzeugt und grefibar sind, kann während eines Gesprächs auf Tastendruck dessen Inhalt verifiziert werden … Wäre da irgendeine (Not-)lüge oder faule Argumentation möglich?

Lasst uns Fakten und nicht die Polemik regieren!

Treibstoff für die Demokratie

Ob die Politik will oder nicht, der Bürger bekommt mehr Kontrolle. Gerade durch das Netz kommt früher oder später alles an die Öffentlichkeit. So gesehen ist das Web ein Motor der Demokratie.

Der Gedanke von OpenGovernment und OpenData wäre ohne das Web gar nicht möglich. Daher richte ich an meine geschätzten Leserinnen und Leser eine Einladung zum

Wo? Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Wann? 6. und 7. Februar 2010

Was ist ein BarCamp?

Man könnte es als Konferenz bezeichnen – jedoch mit einigen Unterschieden. Im Gegensatz zu Konferenzen gibt es bei BarCamps kein starres Programm und keinerlei Teilnahmegebühr.

Die Idee von BarCamps entstand im Silicon Valley als Gegenpol zu vielen elitären und überbewerteten Konferenzen.

Die Grundidee: Wissen vermehrt sich durch Teilung. BarCamps sind aus dem Bedürfnis heraus entstanden, dass sich Menschen in einer offenen Umgebung austauschen und voneinander lernen können. Es ist eine intensive Veranstaltung mit Diskussionen, Präsentationen, und Interaktion der Teilnehmer untereinander.

 

In Klagenfurt fanden 2007, 2008 und 2009 bereits BarCamps mit jeweils 80 bis 100 Teilnehmern statt.

 

Wikipedia über BarCamps.

Was passiert dort?

Im Rahmen der Vorstellungsrunde werden grob die Themen abgesteckt, um die es gehen soll. Wer etwas vortragen/vorstellen will, erzählt davon.

Danach wird ein Session-Plan mit Vorträgen/Diskussionen/Workshops gemacht. Es gibt genug Auswahl, für jeden ist irgendetwas Spannendes dabei.

Welche Themen werden behandelt?

Alles Mögliche, nichts ist strikt vorgegeben! Der grobe Schwerpunkt liegt auf Technik, Web, Medien und wohl auch ein wenig Politik. Dazwischen kann alles passieren, was die Teilnehmer interessiert.

Wo erfahre ich mehr?

Informationen gibt es am BarCamp-Wiki, wo man sich auch anmelden kann.

Wie gesagt: Es gibt keine Teilnahmegebühr. Dafür sollte sich jeder nach seinen Fähigkeiten einbringen: mit einem Vortrag, in Diskussionen, bei irgendwelchen Brainstormings zwischen den Session …