Der Landesvater als Zahlenjongleur

Update 1: Die 2013er-Zahlen finden sich ganz untenstehend. Eine Stellungnahme von Landeshauptmann Dörfler fehlt indes noch.

Ich weiß nicht, in welchem Universum Gerhard Dörfler glaubt, dass Kärnten wachsen würde. In unserem ist das leider nicht der Fall. Da ich aber nicht davon ausgehe(n möchte), dass der Landeshauptmann von Kärnten bewusst Falschinformationen streut, nehme ich an, dass er gewissen Fehlinterpretationen unterliegt.

Eine diesbezügliche Anfrage wurde gestellt, sollte sie kommen, wird dieser Artikel aktualisiert.

Gerhard Dörfler präsentiert "Statistiken"

Es geht um die Bevölkerungszahlen Kärntens. Dieser Blogpost möchte Aufklärungsarbeit betreiben und Gerhard Dörfler belegbares Zahlenmaterial der Statistik Austria und der eigenen Landesregierung mit auf den Weg geben.

Wie etwa hier im Wahl-Chat der Kleinen Zeitung oder bei jeder Konfrontation mit anderen Spitzenkandidaten in ORF Kärnten behauptet Dörfler beharrlich, Kärnten wachse. Noch deutlicher wurde Dörfler am 11. Februar 2013 in der Diskussion mit Gabriel Obernosterer (ÖVP), als er anhand seiner „Statistiken“ seinem Kontrahenten Unwissenheit und Inkompetenz vorwarf.

Gerhard Dörfler: „Wenn man im Land Kärnten Politik macht, sollte man die Situation kennen“. Aha!

Wanderungsbilanz

Was Gerhard Dörfler als Erfolg präsentiert,
sind tatsächlich die schlechtesten Zahlen Österreichs.

Sehen wir uns die Zahlen einmal näher an, die Gerhard Dörfler ständig für sein Argumentarium nutzt: die Wanderungsbilanz der Statistik Austria. Es ist nicht gerade üblich, dass Vergleiche über einen Zeitraum von elf Jahren gezogen werden, aber die Zahl wird für den Zweck vermutlich gut gepasst haben. Tatsächlich weist die Wanderungsbilanz zwischen Anfang 2001 und Ende 2011 ein Plus von 2646 für Kärnten aus. Gelogen ist’s nicht, aber dass Kärnten damit gut dastehe, ist schlichtweg falsch.

Schauen wir uns die Wanderungssaldo (Zuwanderung minus Abwanderung ohne Geburten oder Sterbefälle) für alle Bundesländer näher an. Aufgrund unterschiedlicher Größenordnungen sind die absoluten Zahlen schwer vergleichbar. Daher hier die relativen Werte – also die Wanderungsbilanz der letzten elf Jahre im Vergleich zur Jahresdurchschnittsbevölkerung über die letzten elf Jahre.

Wanderungsbilanz 2001 - 2011

Wie man aus der folgenden Tabelle sieht, hat jedes Bundesland in diesen Zeiträumen ein Plus. Egal, ob man die Zahlen absolut oder relativ (zum Mittelwert der Jahresdurchschnittsbevölkerung im jeweiligen Zeitraum) betrachtet oder welchen Zeitraum man auch wählt, Kärnten ist mit diesen Zahlen mit einer Ausnahme an letzter Stelle in Österreich. Einzig Vorarlberg liegt im Fünfjahreshorizont noch schlechter.

Wanderungsbilanz 2001 - 2011

Zahl der Wahlberechtigten

Weil ja bald Wahlen sind, könnte man auch einen Blick auf die Wahlberechtigten werfen.

2009: 443.449 Personen
2013: 440.742 Personen

Das Minus von 2707 Personen wirft Fragen auf. Ein Deutungsversuch liegt darin, dass 2009 zugleich mit der Landtagswahl auch Gemeinderatswahlen stattfanden.

Bürgermeister Oleschko

Aber weil auch hier keine Bösartigkeit unterstellt werden soll, ist es plausibler, dass die Bevölkerung Kärntens zwischen Anfang 2009 und Anfang 2013 weiter geschrumpft ist. Und tatsächlich wird bis zum Stichtag Anfang Jänner 2013 ein Minus von weiteren 928 Personen attestiert.

Bevölkerungsentwicklung

Im Österreichvergleich schaute die Lage Kärntens in den letzten Jahren nicht rosig aus. Nur Kärnten ist in den letzten Jahren geschrumpft, alle anderen Bundesländer konnten stets ein Bevölkerungswachstum verzeichnen. Sowohl in absoluten Zahlen als auch relativ ist das Wachstum in Kärnten stets das geringste aller Bundesländer.

Wobei Wachstum eigentlich falsch ist. Bis auf den 20-Jahres-Horizont schrumpft Kärnten in allen Zahlenreihen. Die größten Zuwächse kann übrigens Dörflers verhasstes, weil rot-grün-regiertes, Wien aufweisen.

Bevölkerungsentwicklung

Bei den absoluten Bevölkerungszahlen wählen wir auch hier wieder den Elf-Jahres-Horizont von Gerhard Dörfler:

Bevölkerungsentwicklung 2001 - 2011

Von 2001 bis 2011 schrumpfte Kärnten von 559.745 auf 558.056 um 1689 Personen.

Bevölkerungsprognose

Mit wissenschaftlichen Methoden wagt die Statistik Austria auch einen Blick in die Zukunft. Und bei der Bevölkerungsprognose setzt sich der traurige Trend fort. Als einziges Bundesland muss Kärnten bis 2060 einen Bevölkerungsrückgang hinnehmen.

Bevölkerungsentwicklung 2011 - 2060

Und noch ein Faktum sollte dazu führen, dass sich die Politik dringend Gedanken machen sollte: Fakt ist nämlich, dass Kärntens Jugend schrumpft und das Land überaltert. Das zeigen ebenfalls nicht Dörflers politische Gegner auf, sondern Prognosemodelle:

Altersentwicklung Kärnten bis 2075

Ein Deutungsversuch hier: Wer jung und gebildet ist, verlässt das Land, um – wenn überhaupt – später den Lebensabend hier zu genießen.

Update: Schrumpfungsprozess anno 2012

Heute veröffentlichte die Statistik Austria vorläufige Zahlen für die Bevölkerungsentwicklung im Vorjahr. Und … erraten: Sie sind ebenfalls alles andere als rosig für Kärnten.

Bevölkerungsentwicklung 2012

Kärnten ist das einzige Bundesland Österreichs mit negativem Wachstum. Das Land schrumpfte – vermutlich zur großen Überraschung Dörflers – um 928 Personen.

Datendownload

Die Daten, die diesen Berechnungen zugrunde liegen stammen von der Statistik Austria bzw. dem Amt der Kärntner Landesregierung. Die Tabellen stelle ich via Google Drive allen Interessierten zur Verfügung. Vielleicht wirft ja auch der Landeshauptmann (oder einer seiner Kontrahenten) einen Blick darauf.

Rechnungshof-Kritik an BZÖ/FPK-Jubelwerbung

Erst gestern berichtete k2020, dass der Kärntner Rechnungshof die Wahlwerbung der Landesregierung für die Landtagswahl 2009 unter die Lupe nimmt. Eben meldete das Magazin News vorab via ots und auf seiner Website, dass morgen ein brisanter Artikel dazu erscheint.

Die Kosten für die hochwertig produzierte und via Beilage zur Kärntner Woche an 200.000 Haushalte Broschüre sollen sich nach Schätzungen auf mindestens 500.000 Euro belaufen. Als die Aufregung groß war, hieß es aus dem BZÖ Kärnten (heute: FPK), man habe 15 Prozent aus der eigenen Kasse bezahlt. Einen Beleg dafür hat freilich vermutlich noch niemand gesehen. Wörtlich heißt es dazu laut News im RH-Bericht:

„Das im Jahr 2008 (…) entwickelte Grundkonzept wurde zu Beginn des Jahres 2009 im Interesse einer wahlwerbenden Partei adaptiert und im Zuge des Wahlkampfes verwertet“. Der vom BZÖ getragene Kostenanteil „in Höhe von lediglich 15 % der Entwicklungskosten“ erscheine „nicht angemessen“. Der Landesrechnungshof empfiehlt daher, „den Kostenanteil (…) neu zu bemessen“.

Die weiteren Kritikpunkte des Rechnungshofs:

  • Darüber hinaus sei es nicht Aufgabe der Landesimmobiliengesellschaft (LIG), solche Broschüren zu produzieren.
  • Die Auftragsvergabe sei „nicht im Einklang mit den vergaberechtlichen Vorschriften abgewickelt“.

Brisant: Die Anzeige wurde von der damaligen FPÖ-Kärnten eingebracht, drei der vier ehemaligen BZÖ-Politiker sind nun im FPK. Beim vierten dürfte es sich um Stefan Petzner handeln.

Zur Erinnerung: Hier noch ein Foto der Jubelbroschüre.

Wenn nun ein größerer Teil der Kosten für die Broschüre zurückgezahlt werden muss … ist das schon alles?

Schon vor Monaten hat k2020 eine brisantere – vermutlich finanziell noch teurere – Frage aufgeworfen: Sind nicht Inserate das weit größere Problem? Auch die glichen sich ob gleichen Farben, Slogans und Schriften wie ein Ei dem anderen …