Kärnten: Systematische Bespitzelung von Journalisten

Heute kam eine Sache auf, die einen stark an die Methoden der Stasi erinnern könnte. Akribisch werden in zumindest einem Büro eines Kärntner Regierungsmitglieds (Name der Redaktion bekannt) kritische Stellungnahmen auf Facebook-Profilen gesichtet, ausgedruckt und archiviert.

Ganze Ordner mit missliebigen Statusmeldungen, Links, Kommentaren (Update: auch aus privaten und somit eingeschränkt sichtbaren Profilen) sollen sich bereits in zumindest einem Büro eines Pressereferenten befinden.

Meinen Nachbarn (meine Wohnung ist direkt gegenüber der Landesregierung) tut die Wahrheit oft weh und offen ausgedrückte Meinungen noch viel mehr. Erst recht, wenn Kritiker mit Hilfe neuer Medien wie Facebook oder Twitter plötzlich an Gewicht gewinnen und mit einem Schlag Tausende (durch weiteres Teilen) auch Zehntausende erreichen.

„Dass solche Spitzelmethoden gegen Journalisten angewendet werden, wirft ein sehr eigenartiges Licht auf Teile der Regierung“, meint Wolfgang Kofler, Chefredakteur des Kärntner Monat. Gestern wurden von eben jenem  Pressereferenten einzelne Postings aus einem ganzen Ordner mit Ausdrucken gezückt.

Kofler weiter: „Mein privates Facebook-Profil ist nicht öffentlich, hat mit meiner Arbeit nichts zu tun und nur für Freunde einzusehen. Es ging um mich als Privatperson. Für mich ist es wahrscheinlich, dass sich hier jemand mit einem Fake-Account eingeschlichen hat, um einfach einmal zu stöbern.“

Die rechtliche Beurteilung

Meine erste Meinung war, dass hier (wie eingangs erwähnt) Stasi-Methoden angewendet werden. Doch wie sieht die rechtliche Beurteilung aus? Ein Interview mit Hans Zeger, Obmann der Arge Daten, bringt Licht in die Sache:

In Büros von Kärntner Landesräten wird auf Facebook-Profilen nach kritischen Postings gesucht, diese ausgedruckt und archiviert. Darf man das?
HANS ZEGER: Grundsätzlich sind das ja öffentliche Informationen, ein Nachschauen alleine ist zulässig. Das Speichern und Ablegen dagegen absolut nicht.

Was, wenn diese Profile nicht öffentlich sind und etwa durch das Einschleichen in den Freundeskreis quasi spioniert wird?
ZEGER: Das ist nicht nur heikel, sondern eine Grenzgeschichte.

Wie sieht es mit der Archivierung in Ordnern aus?
ZEGER: Das ist definitiv unzulässig. Eine Behörde (die Landesregierung ist so eine Behörde, Anm.) darf nur Daten speichern, wenn es dazu eine klare gesetzliche Bestimmung dafür gibt. Somit halte ich das Abspeichern solcher Informationen für klar unzulässig und gesetzwidrig.
Das entspricht ja auch ganz und gar nicht dem Willen eines Bürgers. Der kann heute etwas schreiben, morgen seine Meinung ändern und das alles wieder löschen. Durch die Archivierung wäre das dann dauerhaft gespeichert.

Wie kann man sich wehren?
ZEGER: Es gibt Musterbriefe, mit denen man Auskunft und Einsicht in eigene Daten verlangen kann. Den gibt es auf unserer Website zum Download und er muss halt angepasst werden.

Muss die Landesregierung dann Auskunft erteilen?
ZEGER: Ja, das muss sie. Dazu hat sie eine klare gesetzliche Verpflichtung.

Wie sehen sie die ganze Sache moralisch? Ist das mit Methoden der Stasi vergleichbar?
ZEGER: Ja sicher. Hier geht es um das Speichern von privaten Daten, das keinem gesetzlichen Auftrag entspricht.

Danke für das Gespräch!

Wirtschaftlicher Druck

Schlimm genug, dass so eine Sache am Europäischen Tag des Datenschutzes aufkommt. Schlimm genug, dass gespitzelt wird. Doch die Sache ist noch schlimmer: Mit dem Ergebnissen dieser Datensammlung wird massiver wirtschaftlicher Druck ausgeübt.

Die Kärntner Landesregierung überwacht so nicht nur Journalisten. In einem Fall reichte schon ein „Gefällt mir“ eines Wirtschaftstreibenden, um ihm Aufträge für ein landesnahes Unternehmen zu entziehen. Sein Name ist der Redaktion bekannt.

Somit dürfte erstmals bewiesen sein, warum nicht mehr Kritik von Seiten der Wirtschaft an der Regierung geübt wird. So dürfte klar sein, warum hinter vorgehaltener Hand allzu oft Wahrheit und Meinung gesagt wird, diese Kritik aber praktisch nie öffentlich gemacht wird.

Auskunft verlangen

Man kann also Auskunft verlangen. Als Service an die k2020-Leser gibt es hier den bereits angepassten Musterbrief der Arge Daten zum Download.